29. Juni 2021 Thema: Blog Von Axel Busch
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Weitzel,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,
sehr geehrte Vertreter*innen der Presse,
liebe Mitbürger*innen,
für die Jahre 2021 und 2022 hat die Verwaltung einen den Entwurf eines Doppelhaushaltes vorgelegt. Auf der einen Seite gab es durch die in 2020 einsetzende Corona-Pandemie wie auch durch die Kommunalwahl erhebliche Verzögerungen, auf der anderen Seite sind mittel- und langfristige Planungen in Pandemiezeiten kaum verlässlich zu prognostizieren, was eindeutig gegen einen Doppelhaushalt spricht.
Der vorgelegte Haushaltsentwurf für die Jahre 2021 und 2022 wird heute voraussichtlich mit den Stimmen des konservativen Bündnisses beschlossen. werden.
Die SPD-Fraktion kann dem vorgelegten Haushaltsentwurf nicht zustimmen.
Warum nicht? Das möchte ich im Folgenden darlegen.
Dem Haushaltsentwurf fehlt, wie auch in den Haushaltsentwürfen der letzten Jahre, eine Idee, wie die Verwaltung dem strukturellen Defizit entgegenwirken kann. Der Haushaltsentwurf ist geprägt von einem „weiter so“. Es ist noch immer gut gegangen. Wer ernsthaft glaubt, dieser Haushaltsentwurf könnte die Tendenz des jährlichen Defizits in Millionenhöhe aufhalten und perspektivisch einen ausgeglichenen Haushalt begründen und somit den Nothaushalt mittelfristig verhindern, muss ein Träumer sein, zumindest aber kein Realist. Der Haushalt der Stadt Erftstadt ist – wie bei vielen finanzschwachen Kommunen in NRW – eine mathematische Trickkiste zur Verhinderung des Nothaushaltes. Und die jeweilige Landesregierung steht dabei Pate. Denn: Die Finanzausstattung der Kommunen in NRW muss dringend verbessert werden. Das Land NRW ist bzgl. einer Altschuldenregelung zur Reduzierung der Kassenkredite genauso in der Pflicht wie bei der Senkung der Soziallasten. Eine lediglich Neufestsetzung des Datums, bis wann die schwarze Null erreicht sein muss, stellt nur einen Aufschub dar, ändert aber nichts an der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen.
Trotzdem bieten sich auch den Kommunen in NRW Möglichkeiten, ihre finanziellen Strukturen zu optimieren. Dann muss aber auch der Wille bestehen, die Strukturen mittel- und langfristig anzupassen. Das mag an der einen oder anderen Stelle zu schmerzhaften Einschnitten führen. In einer Flächenkommune wie Erftstadt kann nicht jedes Angebot in jedem Ortsteil vorgehalten werden.
Die kürzlich abgeschlossene Organisationsstrukturanalyse ist zwar ein richtiger Schritt hin zu einem möglichen Veränderungsprozess, die Umsetzung der Ergebnisse wird aber viel Zeit in Anspruch nehmen, zumal sie halbherzig angegangen wird. Ganz ohne Investitionen geht es auch hier nicht. Wo sind die Mittel für die Einrichtung der zwingend gebotenen Organisationsabteilung? Wo sind die Mittel für den absolut erforderlichen Ausbau der informationstechnischen Infrastruktur? Fehlanzeige! Hinsichtlich Digitalisierung hängt Erftstadt weit zurück.
Die SPD-Fraktion hat beantragt, das Projekt Smart City schon jetzt anzugehen. Es hätte die Möglichkeit geboten, sich den Ausbau der informationstechnischen Infrastruktur mit 90% fördern zu lassen. Wichtige Zeit geht jetzt verloren, und gerade bei der Digitalisierung ist Zeit ein ganz wichtiger Faktor.
Aber nicht nur bei der Umsetzung der Ergebnisse der Organisationsstrukturanalyse sehen wir Defizite, nein, auch bei Durchführung selbst. Um Kosten zu sparen wäre es doch ganz wichtig gewesen, auch die Aufgaben nach Pflichtigkeit und Notwendigkeit zu bewerten. Dieser Aspekt fehlt fast gänzlich. Eine große Chance wurde vertan.
Wie kann man ansonsten strukturell etwas verändern? Im privaten Bereich würden wir uns überlegen, wie wir konzeptionell in der Zukunft die Dinge besser angehen wollen. Also nicht mehr spontan bei jeder einzelnen Ausgabe entscheiden, sondern nach einem Plan vorgehen. Das Gleiche gilt für Erftstadt. Von daher haben wir schon vor einigen Jahren
Viele Dinge sind gar nicht bzw. sehr spät von der Verwaltung angegangen bzw. umgesetzt worden. Teilweise haben die Konzepte sich überlebt, weil mittelweile Fakten geschaffen wurden, die das zu erstellende Konzept eigentlich untersuchen sollte.
Strategisches Vorgehen sieht anders aus.
Wie sieht dagegen der Weg aus, den die Bürgermeisterin und der Kämmerer gehen wollen?
Auf der Einnahmeseite ist die Steuerschraube am Anschlag und somit ausgereizt. Aber es gibt ja noch die Gebühren. Die Tatsache, dass jetzt dem Kämmerer der Eigenbetrieb Stadtwerke unterstellt werden soll und ihm das gesamtstädtische Gebührenmanagement neu zugeordnet wird, lässt für die Bürgerinnen und Bürger nichts Gutes erahnen. Wir befürchten, dass relativ zeitnah die Gebühren für Abwasser wie auch für die Friedhöfe erhöht werden. Vielleicht wird es auch eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung geben.
Den Bürger*innen vermehrt in die Tasche zu greifen, ist keine besonders innovative Idee.
Vielleicht sollte die Verwaltung eher mal schauen, wo sie über die Ergebnisse der Organisationsstrukturanalyse hinaus Kosten einsparen kann.
Wie sieht es mit der interkommunalen Zusammenarbeit aus? Aus Sicht der SPD-Fraktion ist die ausbaufähig. Nicht alle Aufgaben müssen von einer Stadt allein erfüllt werden. Es gibt genug Beispiele von Zusammenarbeit verschiedenen Kommunen, die auch zu einer Entlastung bei den Personalkosten führen. Rechtsamt, Rechnungsprüfungsamt, Liegenschaftsverwaltung, Abwasserwirtschaft, Bauhof, Straßenunterhaltung und Grünflächenpflege, ÖPNV etc. könnten zusammen mit anderen Kommunen wahrgenommen werden, ohne sie zu privatisieren.
Und wie ist es eigentlich um die „Legende“ Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft bestellt? Eine Antwort bezüglich der Gründung einer Entwicklungsgesellschaft steht bis heute aus. Welche steuerrechtlichen Auswirkungen sind denn zu erwarten? Wie können durch eine Entwicklungsgesellschaft Einsparungen durch Auslagerung von Personal erreicht werden und vor allen Dingen, was bringt eine Entwicklungsgesellschaft überhaupt für die Einnahmeseite der Stadt zum Beispiel bei Grundstücksverkäufen? Hier vertröstet der Kämmerer auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Man könnte fast vermuten, dass die Prüfung beim Finanzamt ergeben hat, dass die Gründung der Gesellschaft steuerrechtlich zu teuer ist. Die SPD stand dieser Idee von Anbeginn kritisch gegenüber. Hier hat der Kämmerer schlichtweg Geld im sechsstelligen Bereich für eine Beratungsdienstleistung verschleudert.
Unseren Antrag, den Ansatz für Beratungsdienstleistungen in sechsstelliger Höhe zu streichen, hat die konservative Mehrheit bisher abgelehnt.
Wir fordern ein klares und transparentes Konzept, wie die Bürgermeisterin, wie der Kämmerer, konkret die Stadt Erftstadt nachhaltig aus den roten Zahlen herausführen möchte. An dieser Stelle bleibt – wie schon zuvor erwähnt – leider auch die Organisationsstrukturanalyse eine Antwort schuldig. In welchen Bereichen sich die Stadt Erftstadt freiwillige Aufgaben gönnt und finanziert, auf die verzichtet werden könnte, diese Aussage findet man nicht. Dies würde einem ggf. die ein oder andere Möglichkeit nehmen, das eigene Klientel zu bedienen. Ob das also Zufall ist?
Ergänzend zu den strukturellen Defiziten des vorgelegten Haushaltsentwurfes werden aus unserer Sicht aber auch die falschen Schwerpunkte gesetzt bzw. wichtige Themen ausgespart.
Nach wie vor wurde ein Neubau des Schulzentrums Lechenich, der uns planerisch fast alle Wünsche hätte erfüllen können, nicht ernsthaft geprüft. Die Kosten der Sanierung steigen und steigen. Wie hoch sie am Ende sein werden, kann niemand mit Gewissheit sagen. Unbestritten ist, dass hinsichtlich des baulichen und technischen Zustands des Schulzentrums etwas passieren musste. Aber eine Sanierung, dazu noch nur teilenergetisch, halten wir für den falschen Weg. Auch vermissen wir die zu erwartenden höheren Mieten, die die Nutzer perspektivisch zahlen müssen, im Haushalt. Transparenz sieht anders aus.
Für die Digitalisierung der Schulen sind ab 2023 keine Mittel vorgesehen. Der frisch vorgelegte Medienentwicklungsplan sieht die Digitalisierung der Schulen als Daueraufgabe. Das ist sie auch. Im Schulausschuss legte die Schulverwaltung den Offenbarungseid ab: Ohne Fördermittel könne der Schulträger die Digitalisierung der Schulen nicht vorantreiben. Was ist dieser Haushalt noch wert, muss man an dieser Stelle fragen. Eine der wichtigsten Aufgaben in der Stadtgesellschaft sind ohne Fördermittel nicht umsetzbar??
Unser Antrag auf Erhöhung der Mittel ab 2023 um je 300.000 € wurde, wie bekannt, leider von der konservativen Mehrheit abgelehnt.
Wir halten es für dringend geboten, dass unseren Schüler*innen wie auch Kindern in den Kitas in kommenden Winter eine möglichst normale Betreuung ermöglicht wird. Nicht wieder Lernen bei Minusgraden am geöffneten Fenster, weil nur so gelüftet werden kann. Die Delta-Variante des Virus ist im Anflug. Wir wissen nicht, wie sich die Lage entwickeln wird. Aber wir sollten möglichst vorbereitet sein. Lüftungsgeräte sollten unabhängig einer Fördermöglichkeit beschafft werden. Leider ist auch dieser Antrag von uns von der konservativen Mehrheit abgelehnt worden.
Nicht erst die Organisationsstrukturanalyse hat zu Tage befördert, was alle wussten. Die Digitalisierung der Stadtverwaltung ist total unterentwickelt. Das die konservative Mehrheit hingeht und sagt, wir können das Projekt Smart City jetzt nicht angehen, weil die Stadt Erftstadt erst einmal die Grundlagen der Digitalisierung schaffen muss, ist vielleicht nur eine falsche Annahme. Dass man aber nicht bereit ist, für den dringend notwendigen Ausbau der Informationstechnischen Infrastruktur die erforderlichen Mittel einzustellen, ist schon grotesk. Unser Antrag, jährlich 200.000€ dafür vorzusehen, wurde abgelehnt.
Unser Antrag, das jährliche Budget für Jugendarbeit peu á peu auf den Bundesschnitt anzuheben – der Jugendhilfeausschuss hatte sich auf einen Kompromiss verständigt – wurde vom Finanz- und Vergabeausschuss mit Stimmen der konservativen Mehrheit einkassiert. Schade. Die Stadt Erftstadt hinkt im bundesweiten Vergleich weit hinterher (2,1% des Haushalts in Erftstadt, 8% im Bundesschnitt). Es wurde wieder eine Chance vertan, nachhaltig etwas für unsere Jugendlichen zu tun. Dabei haben gerade sie es besonders schwer in der Pandemie. Gerade in diesen Zeiten muss einer weiteren Spaltung der Gesellschaft entgegengewirkt werden.
Und natürlich darf das Thema Kita-Gebühren nicht fehlen. Wir hatten beantragt, nur die Gebühren zu verlangen, für die auch eine Gegenleistung erfolgt ist. Keine Leistung = keine Gebühren, weniger Leistung = weniger Gebühren. Auch dieser Antrag wurde leider unter Verweis auf die Regelung des Landes abgelehnt. Wir können das nicht nachvollziehen, zumal diese Kosten auf ein spezielles Corona Konto hätten aktiviert und auf 50 Jahre gestreckt werden können. Es kann nicht sein, dass die eh durch die Pandemie gebeutelten Familien jetzt Gebühren für etwas bezahlen sollen, was sie nicht erhalten haben. Großkonzerne dagegen, wie z.B. die Lufthansa, erhebliche Steuermittel zur „Rettung“ erhalten, aber nicht davor zurückschrecken, sich anschließend durch Kündigungen zu sanieren.
Insgesamt halten wir den Haushalt auf für wenig transparent. Der Haushalt der Stadt stellt lediglich zusammengefasste Teilergebnispläne dar. Einzelne Konten sind nicht einsehbar, weder für die Ratsmitglieder noch für die Bürgerinnen und Bürger. Andere Haushaltspläne anderer Kommunen sind da transparenter. So kommt es oft vor, dass man Ansätze gar nicht findet, oder nicht dort, wo man sie vermutet.
So waren wir z.B. sehr überrascht, dass für den Masterplan Lechenich bis Ende 2025 kein einziger Euro veranschlagt ist. Kann das sein? Oder würde ein Ansatz den Haushaltsausgleich gefährden?
Selbstverständlich ist die SPD grundsätzlich bereit, zukünftig einen Haushalt mitzutragen und zu verabschieden. Wir fordern klare Aussagen, ein klares Konzept und eine langfristige Konsolidierungsstrategie, die sich traut, den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe zu vermitteln, an welchen Stellen zukünftig die Stadt zu einer Abkehr des es-allen-recht-machen-Wollens bereit ist.
Wir sperren uns perspektivisch auch nicht grundsätzlich gegen jede Maßnahme mit erheblichen finanziellen Auswirkungen. Wir behalten uns vor, von Fall zu Fall zu entscheiden. Wie Sie aktuell verfolgen konnten – ich verweise auf die Nachfinanzierung des Tribünengebäudes SC Germania -, tragen wir auch Maßnahmen mit ihren nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen mit, wenn sie denn vernünftig vorbereitet sind und einen Mehrwert für die Allgemeinheit darstellen.
Wir fordern allerdings ein klares Bekenntnis von Ihnen, Frau Bürgermeisterin, dass eine Erhöhung von Gebühren und Abgaben nicht infrage kommt. Die Belastung der Erftstädter*innen ist bereits jetzt im bundesweiten Vergleich traurige Spitze.
Zum Abschluss möchte ich mich bei allen bedanken, die bei der Erstellung des Haushaltsplanes mitgewirkt haben.
Axel Busch
Fraktionsvorsitzender